Update vom 09.11.: Sehr wichtig zum Thema, bitte lest diese aktuelle Schilderung einer Sexarbeiterin aus einem Laufhaus! Erschreckend und zum Speiben ->  https://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?f=19&t=15108&sid=9cc2a963f1d84f0ec87b676b59e98448#p165672

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Beitrag vom 26.10.: Es wird einem regelrecht übel dabei, wenn man derzeit in Boulevardmedien blättert. Laufhausbetreiber stellen sich wieder mal als die Retter der “Rotlichtszene” dar und lassen sich in regelrechten Feldherrenposen ablichten. Damen ohne Gesichter zeigen dazu ihre Hintern. An Frauenverachtung ist das kaum zu überbieten. 

Sie lamentieren über Umsatzeinbußen. Nona. Die Pandemie hat kaum einen Dienstleistungssektor verschont gelassen. Gerade die Sexarbeit lebt von Diskretion und Anonymität. Natürlich schlägt es sich daher in ausnahmslos allen Bereichen der Sexarbeit auf die Umsätze nieder, wenn Kunden sich registrieren sollen. Die Angst vor Ansteckung bei körpernahen Dienstleistungen tut ihr übriges. Dazu die widersprüchlichen Informationen zum Schutz durch Impfung, 3G, 2,5G… etc. Kein Wunder, dass allerorts die Kunden ausbleiben. 

Und kein Wunder ist es auch, dass sich Laufhausbetreiber seit jeher gegen selbständige Sexarbeit stark machen. Immer wenn sie irgendwo zu Wort kommen, verunglimpfen sie alle Frauen, die unabhängig von ihnen arbeiten. Eh klar, mit selbständiger Sexarbeit machen sie eben kein Geschäft! Deshalb ist ihnen alles ein Dorn im Auge, was nicht unter ihrer Fuchtel steht: Sexarbeit in eigenen Wohnungen, Sexarbeit als unabhängige Escortdienstleistung, Sexarbeit auf der Straße. All das sind Formen der Sexarbeit, wo das Honorar der Sexarbeiterin verbleibt und kein Betreiber die Hand aufhält. Um dagegen Stimmung zu machen, werden die schlimmsten Geschütze aufgefahren, die wir in der Geschichte der Sexarbeit eh schon zur Genüge kennen: Entweder werden diese Frauen als Opfer hingestellt, oder – wenn das nicht gelingt – als Täterinnen. So seien die Frauen in den unabhängigen Sexarbeitsformen Opfer von Zuhältern oder von gewaltbereiten Kunden, oder, wenn diese Argumente sich als fadenscheinig entpuppen, weil nach Kenntnis der Hintergründe jedem klar wird, dass in Wahrheit die Laufhausbetreiber diejenigen sind, die vom Staat mit der Macht von Zuhältern ausgestattet sind, dann werden diese unabhängigen Frauen eben einfach als krank und ekelhaft und als Gefahr für die “Volksgesundheit” hingestellt. Huren Krankheit zu unterstellen, ist immer das Leichteste und Schäbigste. Und so zu tun, als hätte man als Betreiber ein Monopol an Gesundheit, ist an Niedertracht nicht zu überbieten. 

Und jetzt passiert es boulevardmedienwirksam wieder: Es wird den Huren die Schuld an den Umsatzeinbußen der Laufhäuser gegeben. Die Huren selber seien nun schuld, dass sie, die tollen, “sauberen”, “hygienischen”, “sterilen” (LOL), “geprüften” Laufhäuser bis zu 50% Umsatzeinbußen haben. Es wird ein unsympathisches, raffgieriges Bild der Sexarbeiterinnen gezeichnet: Sie seien auf den Geschmack gekommen, in Wohnungen zu arbeiten, diese Bösen! Illegal ist das, furchtbar, diese Weiber! Habgierig sind sie! Schmutzig wahrscheinlich, ungeprüft, und krank obendrein! Pfui gack! Dem gehört ein “Riegel vorgeschoben”.

Mit dem Nimbus der Rechtschaffenheit treten sie auf, diese Typen. Mit Sonnenbrille und Frauen, äh pardon, “Mädchen”, als Garnierung. Medien geben ihnen immer wieder eine Bühne. Warum? Na weil sich das einfach besser verkauft als eine differenziertere Wahrheit. Es wäre einfach langweilig, wenn man immer schreiben müsste: RECHTE brauchen diese Frauen, nicht Entrechtung in Form von Abhängigkeit von Betreibern! Und wenn man obendrein als Bildsprache nur eine normal angezogene Frau hätte, die dies fordert. Das wäre viel zu wenig reißerisch. Und es entspricht ja alles so schön dem kulturellen Narrativ: An der Spitze einer solchen Einrichtung muss eine Art Patriarch stehen. Eine männliche Leitfigur, die dort alles “im Griff” hat. Ein “Pater” im Wortsinn des Herrschers, Vaters, Oberhaupts, Häuptlings, zu dem alle aufschauen, der die Deutungshoheit besitzt und der für alle hierarchisch unter ihm Stehenden sprechen kann. Dem diese Frauen ein bisschen gehören. Sind ja “seine Mädchen”. Er passt ja auch auf sie auf. Es ist so durchschaubar, dass einem eigentlich die Worte fehlen. Und trotzdem verkauft sich diese Story ein ums andere Mal. 

Richtig ist vielmehr folgende Lesart: Ja, manche Frauen haben sich aufgrund ihrer negativen Erfahrungen zum Glück von der Ausbeutung durch Laufhausbetreiber unabhängig gemacht! Und ja: Illegal ist die Arbeit in der Wohnung – aber nur, weil sich unsere Gesetzgebung das so einbildet. Illegalisiert ist der richtige Begriff, nicht illegal. Die österreichische Gesetzgebung verunmöglicht selbständiges und von Neo-Zuhältern wie manchen Laufhausbetreibern unabhängiges Arbeiten in den meisten Bundesländern. Nur in 4 Bundesländern ist Escort überhaupt erlaubt. Und die Arbeit in Wohnungen ist in ganz AT illegalisiert. Österreich nimmt damit eine traurige Sonderstellung ein. In Deutschland etwa kann man Wohnungen als Arbeitswohnungen anmelden, um darin der Sexarbeit nachzugehen. Also, was ist überhaupt das Problem damit? 

Aber damit nicht genug. Nicht nur die Verantwortung für ausbleibende Kunden wird den selbständig arbeitenden Frauen in die Schuhe geschoben, sondern mehr noch: Abschiebung wird gefordert, ein Entzug der Arbeitserlaubnis, höhere Strafen! “Das würde ihnen richtig wehtun”, sagt einer der Protagonisten. Ist das an Verachtung noch zu überbieten? Zum Kotzen ist das. Was ist eigentlich deren Leistung? Um Unsummen (bis zu 1.000 Euro PRO WOCHE!!) mietet eine Sexarbeiterin ein Zimmer in einem Laufhaus. Und die Betreiber sind ausgestattet mit Kontrollrechten seitens des Staates. Sie sind staatlich eingesetzte Zuhälter, nichts weiter. Von “Mädchen” reden sie. “Mädchen”, die sie “überprüfen”, wie Vieh, damit die Kunden “sichere Sexarbeit” in Anspruch nehmen können. Allein schon diese Wortwahl entlarvt die Geringschätzung dieser nach Gesetz als Neue Selbständige tätigen erwachsenen Frauen. Der Ausbeutung fallen diese erwachsenen Frauen anheim, weil die Betreiber ihnen die Arbeitsbedingungen diktieren können.

Pause machen? Spazieren gehen zwischen zwei Kunden? Schwierig, wie ich von Kolleginnen hören musste. “Wenn du dauernd Pause machst, wissen wir nicht, ob wir dir in Zukunft noch ein Zimmer anbieten können, da beschweren sich Kunden, weil du von uns beworben wirst, aber nicht am Zimmer bist!”. Durcharbeiten heißt die Devise.

Sich selbst die Serviceleistungen aussuchen? Ebenfalls schwierig. Blasen ohne Kondom ist Standard. “Was? Du willst das bei jedem Kunden selbst entscheiden? Wenn herauskommt, dass du dauernd mit Kondom bläst… hmm… werden wir voraussichtlich einer anderen Dame dein Zimmer geben müssen. Die Warteliste auf einen Platz bei uns ist lang, wie du weißt. Und wir haben schließlich als Haus einen Ruf zu verlieren. Und wann dann im lila Forum wieder steht, bei uns bläst eine nur mit Kondom – da bleiben uns die Kunden aus, du wirst verstehen, dass wir das nicht zulassen können.”

Woanders arbeiten? Auch schwierig. Denn der Betreiber hat mancherorts einen Deal mit der Bezirkshauptmannschaft: Diese verzeichnet den Betreiber als einzig zugelassenen Arbeitsort auf der Kontrollkarte der Sexarbeiterin. Somit kann sie nirgendwo sonst arbeiten, obwohl eine solche Vorgangsweise gar nicht dem Gesetz entspricht. Willkür seitens Behörden und Ausbeutung durch Betreiber, und schiefe Machtverhältnisse überall, wo man hinschaut. Überall dort, wo “Mädchen” “geholfen” werden soll, werden ihnen in Wahrheit Rechte weggenommen. Bis hin zu Abfuhr des Steueranteils durch Betreiber, die diesbezüglich Vereinbarungen mit dem Finanzamt haben: Um den “Mädchen” wieder mal zu “helfen” wird deren Umsatz einfach gleich mal um einen Pauschalsteueranteil reduziert und dem Finanzamt abgeführt. Weil diese Dummchen können das ja nicht selber. Eine Bestätigung über entrichtete Steuer? Nix da, bekommen diese Frauen nicht. Genau aus dem Grund bekamen viele Frauen in den Lockdowns keine staatliche Unterstützung. Sie konnten schlicht nicht nachweisen, jemals Steuer bezahlt zu haben, obwohl ihre Einkünfte durch Betreiberhände um Pauschalsteuern reduziert worden waren. Wieder wird offenbar: Es wird den Frauen vorgeblich “geholfen”, was nur dazu führt, dass sie in Abhängigkeiten und existenzielle Bedrohung geraten. Und genau in diesem Zusammenhang traut sich einer dieser Betreibertypen sogar offen zuzugeben, dass er im Lockdown staatlich gut unterstützt wurde. Na klar, schließlich hast du die ganze Steuerleistung der Frauen für dich geltend gemacht, du Arsch. 

Bei manchen Betreibern muss man als Sexarbeiterin gar einem extra für diese Zwecke erfundenen “Verein” beitreten, um arbeiten zu können. Der Beitrittsvertrag zum Verein kommt einem Blankoverzicht auf alle möglichen Grundrechte gleich, an Sittenwidrigkeit nicht zu überbieten. Trotzdem, muss man eben unterschreiben, wenn man dort arbeiten will, und leider ist das eben der einzige Betreiber in der Region. Keine Wahlmöglichkeit, da der Gesetzgeber andere Formen von Sexarbeit illegalisiert hat! 

Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen, mit vielen Beispielen dafür, wie Betreiber mit Macht ausgestattet werden, was dann zu Symptomen führt, die man eigentlich verhindern wollte: Nämlich, dass die dort tätigen Frauen nicht frei arbeiten können, weil es zu monopolartigen Situationen kommt, wo einer allen anderen alles vorschreiben kann. 

Ich kann meinen Lesern echt nur ans Herz legen: Immer dann, wenn Betreiber über Sexarbeit reden und alle Formen der Sexarbeit schlecht machen, mit denen sie eben kein Geschäft machen: Glaubt ihnen kein Wort. Wie ich schon früher sagte: Es soll jeder Frau freistehen, wie sie der Sexarbeit nachgeht. Wenn es einer Frau lieber ist, das in einem Laufhaus oder Studio zu tun, dann soll sie das tun können. Aber nur aus freier Entscheidung, und nicht, weil es keine andere legale Möglichkeit gibt. Und die wichtigste Forderung: Betreiber gehören endlich zusammengestutzt auf das, was sie sein sollen: Zimmervermieter, nicht weniger und nicht mehr. Und die Meinung eines Zimmervermieters zu einem ihm fremden Kerngeschäftsbereich interessiert uns eigentlich alle einen feuchten Schas. ?

Auf aufgeschlitzte Reifen freut sich,

Eure Thorja

 

Frei + unabhängig = Independent Escort Wien

26.10.2020 Rückblick auf Innsbruck

Hallo meine Lieben,

Und schon wieder ist die Veranstaltung in Innsbruck eine Woche her. Für alle, die gerne dabei gewesen wären, habe ich hier ein Audofile meines Vortrags:

Ich möchte euch aber auch abseits des Inhaltlichen nicht vorenthalten, wie dieser ereignisreiche Tag verlaufen ist: Weiterlesen

(c) Foto: Bernadette Krassay

Wie versprochen darf ich hier nun den aktuellen Artikel der Wiener Zeitung vom 10.07.2020 zur aktuellen Situation der Sexarbeit in Österreich teilen. Als VertreterInnen von Sexworker.at haben Christian Knappik und ich einen Tag mit der engagierten Journalistin Bernadette Krassay verbracht. Neben ausführlichen Gesprächen zwischen uns und mit den Betreibern von Maxim und Erotikstudio Margareten blieb auch noch Zeit für eine Exkursion an geschichtsträchtige Orte der Wiener Sexarbeit und an den Straßenstrich.

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Ich freue mich, euch wieder an unserer Pressearbeit teilhaben zu lassen. Diesmal durfte ich für das Ö1-Morgenjournal ein Interview geben. Es fand telefonisch statt und ich fuhr hierzu mangels eines ruhigen Ortes zuhause mit dem Auto auf den nahen Friedhofsparkplatz. Sonst hätte ganz Österreich unseren Badezimmerbaustellenlärm gehört…

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Hallo ihr Lieben,

Es freut mich, wieder einen aktuellen Medienbeitrag zur Sexarbeit in Österreich mit euch zu teilen, in dessen Rahmen auch ich meine Position einbringen durfte. Sexworker.at ist durch Christian Knappik und mich vertreten, PiA durch Christine Nagl (Beratungstelefon: 0664 25 44445). Auch die Beratungsstelle Sophie von der Volkshilfe kommt zu Wort. Neben einer Darstellung der individuell höchst unterschiedlichen Bewältigungsstrategien der Coronakrise durch Sexarbeitende hatten wir in der Wiener Zeitung Gelegenheit, unsere Warnung vor der Einführung von staatlich verordneten Schutzmaßnahmen einzubringen.

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Liebe LeserInnen,

ich darf euch hier wieder den neuesten ORF-Beitrag (07.06.2020) in der Sendung “Heimat fremde Heimat” zur Sexarbeit in Österreich vorstellen, an dem ich mitwirken durfte. Ich danke Ajda Sticker vom ORF für das entspannte Interview und meinen MitstreiterInnen in der Sache: Christian Knappik von sexworker.at, Red Edition, LEFÖ und SOPHIE.

Eine unserer Forderungen, die wir diesmal platzieren konnten: Partizipation von Sexworkern in die Entstehung der sie betreffenden Regelungen! Nothing about us without us.

 

Ich möchte euch folgenden ORF-Beitrag nicht vorenthalten, der heute auf ORF2 erschien. Christian Knappik von sexworker.at, Viktor vom Erotikstudio Margarten und meine Wenigkeit haben darin Gelegenheit, über unsere Sicht auf die aktuelle Situation von SexarbeiterInnen zu sprechen. Es ist mir ein Anliegen, vorauszuschicken, dass dies meine erste positive Erfahrung (als Sexarbeiterin) mit Journalismus ist. Weiterlesen

Wo unlängst noch Freierhorden aufeinandergeprallt sind, herrscht Leere, der Betrieb von Etablissements ist großflächig eingestellt worden, Grenzen sind geschlossen. SexarbeiterInnen, die schon länger unterwegs sind, irren auf der Suche nach einer Heimfahrgelegenheit herum, andere verlassen ihr Zuhause gar nicht mehr. Die Coronavirus-Pandemie hat die Sexarbeit zum Erliegen gebracht, dürfte sie aber, wenn die Krise einmal abgeebbt ist, neu schreiben. Weiterlesen