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Zensur und Hausarrest

Seit Monaten beobachte ich die Probleme, die Facebook und Co anderen KollegInnen (und nicht nur diesen, sondern allen Menschen, die einen offenen Umgang mit der eigenen Sexualität pflegen) immer wieder bereitet. Beiträge werden gelöscht und Profile gesperrt, um die verschrobenen Moralvorstellungen a’la USA zu implementieren.

Ist im Prinzip eh a alter Hut und ich hab es bislang immer irgendwie geschafft, mich durch diese Verbotslandschaft hindurchzuwinden. Doch vor kurzem scheinen die “Gemeinschaftsstandards” wieder mal verschärft worden zu sein, sodass nun auch ich endlich der Zuckerbergschen Zensur anheim gefallen bin. Folgendes Foto ist für Facebook schlicht too hot:


Die Begründung war, dieses Foto diene “der sexuellen Kontaktaufnahme zwischen Erwachsenen”. Als paternalistische Sanktion wurde mein Profil 3 Tage gesperrt. In den neuen Standards ist auch davon die Rede, dass die Darstellung von “Nacktheit” auch dann nicht mehr erlaubt ist, wenn diese Nacktheit durch Gegenstände oder Personen verdeckt ist. Das heißt also, man darf Fotos auch dann nicht mehr posten, wenn man eh nix sieht, weil etwa die Nippel durch ein ins Bild ragendes Blatt verdeckt sind. Das Kopfkino des Betrachtenden reicht dann also schon für die Profilsperre.

Mich wundert es ja, dass man sich auf FB überhaupt “Escort” nennen und über Sexarbeit schreiben darf – haben doch all diese Themen die “sexuelle Kontaktaufnahme zwischen Erwachsenen” zum Gegenstand. Man fragt sich, was um Himmels Willen daran eigentlich schlimm sein soll. Aber gut. Die Moralvorstellungen anderer Kulturen muss ich nicht bis ins letzte Detail nachvollziehen können. Ich würde sie auch respektieren, würden sie nicht meine eigene Freiheit in meiner Selbstdarstellung einschränken. Da hört es sich mit meiner Bereitschaft zum Respekt auf.

Gewalt dagegen scheint überhaupt kein Problem zu sein. Kurz nach dem Terroranschlag in Wien postete jemand ein Video, auf dem zu sehen war, wie ein Mann eine Frau mit Kopftuch zu Boden tritt und sie brutal verprügelt. Das sollte eine Art Beleg für den schlechten Umgang von Christen mit Moslems sein. Ich meldete diesen Beitrag aufgrund der äußerst brutalen Gewaltdarstellung. Nach einigen Tagen kam die Rückmeldung, dass der Beitrag geprüft wurde und er gegen keine Gemeinschaftsregeln verstoße.

Aber ein harmloser Fuß, den jemand liebevoll in Händen hält – unmöglich! An Bigotterie ist das nicht mehr zu überbieten.

Tja. Man kann nur schauen, dass man damit einen Umgang findet. Jedes paternalistische Drüberfahren erzeugt bei mir in der Regel reflexartig eine “leck mich doch”-Einstellung und ich suche automatisch nach Möglichkeiten, meine Freiheit zurückzugewinnen. Das gilt auch für Zumutungen wie “Freitesten”, “Impfpflicht” und Ausgangsbeschränkungen, die ich in einem Rechtsstaat für mehr als bedenklich halte. Allein diese Begriffe sind so haarsträubend, dass man es eigentlich gar nicht fassen kann. Die Spaltung dieser Gesellschaft in 2 Lager, die sich jeden Tag in Foren und Social Media die ärgsten faschistoiden Beleidigungen an den Kopf werfen, macht mir Angst. Und zwar viel mehr als ein Virus.

Und dann gibt es da noch Polizisten, die in Mails schreiben, dass es “leider eine Gesetzeslücke” gebe, die es “LEIDER” ermögliche, dass Leute Escorts zu sich nach Hause oder ins Hotel einladen. LEIDER gebe es eben keine rechtliche Grundlage dafür, jemandem zu verbieten, einer Person die Tür zu öffnen. Na sowas! Unfassbar! Es ist also bedauernswert, dass unser Leben nicht bis ins letzte Detail von Autoritäten plan- und kontrollierbar ist? Oder wie soll man dieses “leider” sonst verstehen? Genauso wenig wie man uns vorschreiben kann, dass wir beim Essen links statt rechts kauen sollen, genauso wenig kann man uns Vorschriften machen, mit wem wir ins Bett gehen und was wir dort tun oder lassen.
Auch sowas macht mir Angst: in einer Zeit zu leben, in der Polizisten die Unkontrollierbarkeit und Freiheit des Intimlebens der BürgerInnen in Rundmails bedauern und als Gesetzeslücke bezeichnen. Aber wenigstens hat er es jetzt mal halböffentlich ausgesprochen, anstatt wieder Bullshit-Verordnungen per Mail (“sämtliche Sexarbeit ist verboten”) zu erlassen wie im 1. Lockdown.

Ich bin schon sehr gespannt, was in 5, 10 Jahren über die heutige Zeit geschrieben und gesagt wird, wie das alles einmal rückblickend gedeutet wird, wenn es sozialwissenschaftliche Publikationen darüber gibt, wenn genug Abstand da ist. Denn momentan kann ja niemand eine Analyse wagen, da jedes Wort sofort auf einer Seite der beiden Extremlager vereinnahmt wird.

Bis dahin – poste ich die netten Dinge eben auf Twitter statt auf Facebook und stehe euch solventen, sympathischen Gentlemen für Buchungen im Hotel (immer unkompliziert und diskret etwa in den Tiefen des Wiener Grabens, aber auch in vielen anderen Hotels) und zuhause zur Verfügung. Für verruchte Dinge. Für unaussprechliche Schandtaten. Zu einem schamlos hohen Schandlohn. Lassen wir die Wände wackeln und deine Brieftasche glühen. Only lovers stay alive.

2 Kommentare
  1. Peter
    Peter sagte:

    Meine Brieftasche glüht viel zu sehr für die Familie – a bisserl was geht schon für Schandtaten 😉 – den Rest deines Beitrags kann ich zu 100% unterstützen – Freiheit im Denken und im Tun (wird leider durch Dummheit sehr oft torpediert) ist das höchste Gut der Menschheit und muss erhalten bleiben!

  2. Conny TgW
    Conny TgW sagte:

    Und ich hab mir eingebildet, dass die Welt ein bisschen tolleranter und vor Allem offener geworden ist ? > ? ! ……

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